Die Demokratie, so sagt man uns, sei das beste aller Systeme. Demokratie, das sei Freiheit und Gleichheit, keine Unterdrückung. Schließlich haben wir ja heutzutage die Wahl, sind frei zu wählen wer uns am besten repräsentieren kann… Und dies geschieht nach dem Prinzip der Mehrheit, denn was viele wollen muss ja schließlich das „Gute“ und „Richtige“ sein. Die frühere Rechtfertigung der Herrschaft durch den Willen Gottes wurde von einem neuen Heiligtum, dem Willen des Volkes ersetzt.
Das Volk und sein Wille
Die Stärke der Demokratie liegt darin, dass sie die Individuen, die sie regiert zu einer Masse verschmelzt: zum Volk.
Über alle Unterschiede hinweg werden Individuen und ihre Unterschiedlichkeit und Gegensätze negiert, zu einem großen Ganzen, einem Kollektiv zusammengefasst. Natürlich gibt es dabei auch sehr genaue Regeln, wer zu diesem Volkskörper gehört und wer nicht. Zugehörig sind jede, die auf dem Staatsgebiet geboren wurden, ebenso wie jene die sich dem „Gemeinwohl“ als nützlich erweisen, dass heißt; brav arbeiten und konsumieren. All jenen gewährt der Staat seinen Schutz und stattet sie mit Rechten aus.
Denjenigen, die sich nicht an die rechtlichen Gebote des Staates halten, entzieht der Staat diese wieder, beispielsweise, wenn er sie in Gefängnisse steckt.
Denjenigen, die nicht das „Glück“ hatten auf Österreichischen Boden geboren zu sein, werden diese Rechte von vorneherein nicht zugestanden. Ihnen verweigert man die Arbeit, steckt sie in Lager, um sie dann meist abschließend mit Gewalt wieder abzuschieben.
Beim Volk handelt es sich nicht um ein Kollektiv, das aus dem Willen der einzelnen Individuen, sich zu vereinigen, entsteht, sondern durch den Willen Einiger geschaffen wurde, um Legitimation für ihre Herrschaft zu erreichen.
Dank der Demokratie wird jeder soziale Konflikt verschleiert. Gegensätze wie die zwischen Ausbeuter*Innen und Ausgebeuteten, Beraubten und Raubenden, Regierenden und Beherrschten bestehen, werden verschleiert und negiert. Das Volk ist ein Konstrukt, das der demokratische Herrschaftsapparat benötigt, um das zu schaffen, wovon er Ausdruck ist: Den Volkswillen.
Dabei wird absurderweise angenommen, dass alle die in diesem Staat leben sich auf einen Willen einigen möchten, über alle Gegensätzlichkeiten hinweg mit einander zusammen arbeiten wollen.
Die Auswahl der Regierung geschieht über die Wahlen. Sie werden dabei über das Mehrheitsprinzip bestimmt. Frei nach dem Motto „das was viele wollen ist Gut“, dass die Masse nicht dass „Gute“ repräsentiert, zeigt sich geschichtlich an vielen Reaktionären Massenbewegungen. Ebenso wurde die NSDAP 1933 demokratisch gewählt.
Mentalität der Bürger*innen
Das Volk stellt ebenso eine Kollektividentität her, die von Kindheitsalter an den*die Bürger*Innen in die Schädel eingeimpft wird. Diese gewährleistet, dass sich der* die* Bürger*In mit dem demokratischen Staat identifizieren, ihn als den ihren anerkennen. Der* die* Bürger*In ist „frei“ – er* sie* spürt keine Ketten- denn er* sie* ist als Produkt dieser Gesellschaft dem Gefühl beraubt, beraubt zu sein. Das Ziel der demokratischen Indoktrination ist es brave Bürger*Innen zu schaffen, die jede Entscheidung, die die Regierung trifft, jede Maßnahme die sie verordnet, jedes Gesetz das sie beschließt, akzeptieren.
Natürlich hat er* sie* das Recht Protest zu äußern, das heißt die Regierung darauf hinzuweisen, dass ein Problem vorhanden ist, das sie zu lösen hat. Der* die* Bürger*In darf sich beklagen, darf seine* ihre* Meinung kundtun, darf sogar der Regierung vorwerfen das Volk zu verraten, den Volkswillen nicht zu repräsentieren. Er* sie* darf sogar radikale Meinungen haben, die beispielsweise den Staat ablehnen, solange diese nicht in Handlungen manifestieren. All dies ist den Bürger*Innensubjekten gestattet, ja ist sogar erwünscht, da die Bekundung von Dissens dem demokratischen Herrschaftsapparat nutzt. Dies sind Informationen die der Staat nutzt, um die Konfliktlage einzuschätzen, um bestehende soziale Spannungen, die potentiell mit den demokratischen Spielregeln brechen, zu analysieren und wieder in demokratische Bahnen zu leiten.
Der Staat erzieht seine Kinder nach den Regeln seiner Verfassung, um ehrliche Demokrat*Innen zu schaffen, Individuen, die nicht autonom, nicht eigenwillig handeln. Individuen, die die Verantwortung, über ihr Leben zu entscheiden, lieber Anderen übertragen. Die glauben, dass es abgehobene, bezahlte Eliten braucht um das Zusammenleben zu regeln. Individuen, die kein Vertrauen mehr in ihre eigenen Fähigkeiten haben, die davon ausgehen, dass sie selbst unfähig sind zu entscheiden, was für sie am besten ist.
Von Recht…
Der Rechtsstaat, der rechtliche Unterbau der Demokratie überschüttet die Bürger*Innen mit Rechten, oft Freiheiten genannt, in Form von Gesetzen. Diese stellen die Verhaltensregeln innerhalb dieser Gesellschaft dar. Jegliches Recht ist eine Erlaubnis des Staates, eines übergeordneten Machtapparates, etwas zu tun. Dies zeigt das wahre Gesicht dieses Machtapparates, der sich herausnimmt uns vorzuschreiben, was wir dürfen und was nicht. Daran zeigt sich der totalitäre Anspruch des Rechtsstaats, der mit seinen Rechten und Verordnungen in jede unserer sozialen Beziehungen eindringt und diese kontrollieren will. Der Rechtsstaat gilt als das ultimative „Gute“.
Er repräsentiert „Gerechtigkeit“. Allerdings bedeutet Rechtsstaat nicht viel mehr als, dass der Staat penibel alle Tätigkeiten, in die er involviert ist, gesetzlich legitimiert. So waren in der Geschichte auch Völkermorde rechtlich geregelt. So auch die industrielle Massenvernichtung während des Nationalsozialismus.
Und festgeschrieben im Gesetz behält sich der Staat das Recht vor, den Rechtsstaat auszuhebeln, wenn ihm die Lage zu brenzlig wird. Wenn die soziale Spannung dem Staat zu hoch wird, kann er den Ausnahmezustand verhängen, das Bundesheer im Inneren einsetzen etc. Der Gegensatz zwischen Demokratie und Faschismus ist falsch. Der Faschismus ist im demokratischen Rechtsstaat integriert, ein Mittel von dem der Staat Gebrauch machen kann, um seinen Herrschaftsanspruch durchzusetzen.
Diejenigen, die sich nicht an die Spielregeln der Gesetzgeber*Innen halten, sind damit konfrontiert, worauf dieses Herrschaftssystem, wie jedes andere, ob Demokratie, Monarchie oder Diktatur, gründet: Gewalt. Diese äußert sich in Form von Polizei, Justiz, Gefängnissen. Und natürlich stehen alle unter Generalverdacht, aber wer nichts zu verbergen hat, hat schließlich kein Problem mit Kontrolle und Überwachung. Die Demokratie muss ihren Alleinherrschaftsanspruch durchzusetzen. Dies geschieht heute subtil durch das Speichern aller Möglicher Daten und durch die Werte, Normen und Ideologien, die uns in den Schulen, Unis und Lehrstellen eingetrichtert werden. Durch die gesamte Organisierung unseres Alltags…
…Und Zwang
„Der Staat sind wir“ ist der große Mythos der Demokrat*Innen. Der Staat sind nicht wir, der Staat ist ein übergeordneter Machtapparat, der sich uns mit Gewalt aufzwingt. Der vermeintliche Konsens existiert nicht. Niemals wurden wir gefragt, ob wir damit einverstanden sind. Sobald wir auf dem Territorium eines Staates geboren werden, werden wir registriert und dem Recht des Staates unterworfen. Als Konsens wird vorausgesetzt, dass wir alle damit einverstanden sind, dass andere über unser Leben bestimmen, uns Regeln vorgeben, wie wir uns zu verhalten haben und diese mit Gewalt durchsetzen.
Lasst uns unregierbar werden!
Längst ist uns klar, dass es sich bei der Demokratie, neben Diktatur und Monarchie, nur um eine weitere Form der Herrschaft handelt mit der es aus unserer Perspektive keinen Frieden geben kann. Alle Strukturen und Personen die unseren Wünschen und Begierden, nach anderen Lebensformen frei von Autorität und Kapital im Wege stehen, werden zu Zielen unserer Angriffe. Erst durch die praktische Negation des bestehenden Herrschaftssystems, ergibt sich die Möglichkeit mit Formen des Zusammenlebens frei von Ausbeutung und Autorität, zu experimentieren.
Aus „Scheiß auf die Wahlen“ – Einmalige anarchistische Zeitschrift aus Wien, 2015